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Teilprojekt "Biologische Anthropologie"

Welche physischen Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit Patienten „Kunden“-autonomie im medizinischen System konsumieren können?

 
  

Genetische Veranlagung, Lebensgewohnheiten und Umweltbedingungen bedingen individuell unterschiedliche gesundheitliche Gefährdungsprofile. Die Aufklärung entsprechender Risikogruppen ist eine zentrale Aufgabe „kunden“-orientierter Medizin. Anhand der individuellen Physis und ihres damit verbundenen Risikopotentials ist zu entscheiden, wann eine besondere Fürsorgepflicht von ärztlicher Seite beginnt, die gegebenenfalls mit Patientenwünschen nicht kompatibel ist. Anderseits eröffnet die Kenntnis gesundheitlicher Risikogruppen eine Breite Palette an Möglichkeiten des Gesundheitssystems, bei nicht risikobelasteten Patienten auf „Kunden“-Wünsche einzugehen und ihnen größtmögliche Entscheidungsautonomie zu gewähren. 

Die Biologische Anthropologie  untersucht die physische Variabilität des Menschen in ihrer räumlichen und zeitlichen Ausdehnung und interpretiert diese vor dem Hintergrund evolutionsbiologischer Entwicklungen. Damit eröffnet sich eine Möglichkeit, medizinische Risikogruppen unter Berücksichtigung biologischer und soziokultureller Anpassungsmechanismen zu definieren. Im Rahmen des Projektes wird eine derartige Risikostrukturanalyse an zwei konkreten medizinischen Beratungssituationen vorgenommen und deren Einsetzbarkeit im Sinne einer „Kunden“- orientierten Medizin diskutiert.

Hierfür werden zwei medizinische Beratungssituationen gewählt, die den Beteiligten im medizinischen System einen größtmöglichen Entscheidungsspielraum gewähren. Dies trifft in erster Linie auf Nicht-Erkrankte zu, die im Gesundheitssystem eine Einschätzung der Vorsorge- und Behandlungsbedürftigkeit suchen, um über anstehende medizinische Maßnahmen autonom entscheiden zu können.
Konkret werden die Untersuchungen in zwei Teilprojekten:

·      Perinatale Risikostrukturen (Schwangerschaftsbetreuung) und

·      RegioVacc (Impfverhalten) durchgeführt.

Die Studien nähern sich dabei dem Problemfeld sowohl aus medizinischer Perspektive als auch aus Sichtweise der Patienten.

Link zur offiziellen Website  der Biologischen Anthropologie.

Kontakt:   Prof. Dr. Ursula Wittwer-Backofen

 

Perinatale Risikostrukturen

 

Wir führen eine soziodemographisch-anthropometrische Längsschnittanalyse mit Daten aus der klinischen Perinatalerhebung durch. Solche Datensätze werden regelmäßig bei Klinikgeburten angelegt und umfassen physische und soziodemographische Eigenschaften der Mutter, Informationen über den Schwangerschaftsverlauf und den Geburtsvorgang sowie Eigenschaften des Neugeborenen. Daraus lässt sich ermitteln, welche Dienstleistungen im Rahmen der medizinischen Schwangerschaftsbegleitung geleistet werden, in wie weit diese Betreuung durch die Wünsche der Eltern bestimmt ist und auf welche Risikoprofile die Schwangerenbetreuung reagieren muss.

Das angestrebte Ergebnis ist eine Strukturierung der Schwangerenpopulation in Gruppen mit unterschiedlichen Graden und Ausprägungen von Geburtsrisiken vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung. Danach soll abgeschätzt werden, welche Rahmenbedingungen ein Verständnis von Schwangeren als selbstbestimmte Konsumentinnen von Beratungsleistungen rechtfertigen, wann eine besondere ärztliche Fürsorgepflicht im Interesse von Mutter und Kind aufgrund erhöhten Risikos besteht und mit welcher Entwicklung von Risikogruppen zukünftig gerechnet werden muss.

Zentral gesammelte Perinataldaten, die Untersuchungen auf Bevölkerungsniveau zulassen, liegen seit Ende der neunziger Jahre vor. Für dieses Projekt werden die Daten aus dem Zeitraum 1998 bis 2010 zusammengeführt und die Entwicklung von Risikogruppen im zeitlichen Verlauf untersucht. Diese Datengrundlage ermöglicht eine empirisch fundierte interdisziplinäre Diskussion vor dem Hintergrund der Chancen und Grenzen der „Kunden“- orientierung in der perinatalen Medizin.

 

Kontakt:   Ines Wlosnewski (Diplom Demographin)

 

 


Impfstudie: RegioVacc

 

RegioVacc

Die kontroversen Diskussionen zum Thema Impfen spiegeln verschiedene Standpunkte der Bevölkerung und Ärzteschaft wieder. Die Diskussionen um den individuellen sowie epidemiologischen Nutzen von Schutzimpfungen lassen sich jedoch aufgrund fehlender verlässlicher Datenlage zum Durchimpfungsgrad der Bevölkerung nicht auf ausreichender Faktengrundlage führen. Daher wird vielfach pauschal auf mangelnden Impfschutz hingewiesen. Im Besonderen hat der Pandemiestatus der neuen Influenza A /H1N1 auf eine neue Art Informationslücken aufgezeigt. Die Prävention als kostensparende Gesundheitsleistung steht der Verunsicherung der Bevölkerung gegenüber.

Im Rahmen des Projektes Kundenorientierung in der Medizin wird die wechselseitige Beziehung zwischen Arzt und Patient/ Kunde zum Thema Impfen behandelt. Während für den Patienten selbst der eigene Infektionsschutz im Vordergrund steht, wird aus epidemiologischer Sicht  der Bevölkerungsschutz zum Eindämmen von Infektionsausbreitungen betrachtet. Diese Interessen zu vereinen und einer kontrovers eingestellten Bevölkerung zu vermitteln, ist Aufgabe des medizinischen Vorsorgesystems. 

In dem Projekt werden einerseits niedergelassene Allgemeinmediziner, Internisten und Kinderärzte in Freiburg bezüglich ihrer Impfberatung/-durchführung befragt. Dabei wird ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet, ob der Arzt initiativ auf den Patienten/Kunden zugeht und auf Impfungen anspricht bzw. aktiv erinnert und damit eine Dienstleistung anbietet. Andererseits wird dies durch eine repräsentative Datenerhebung der Freiburger erwachsenen Bevölkerung zu ihren Einstellungen zum Impfen ergänzt.

Ziel ist es, die Durchimpfungsrate und den epidemiologischen Status zu schätzen, um die empirischen Grundlagen für die Impfempfehlung zu liefern und eine fundierte Grundlage für Diskussionen mit Vertretern unterschiedlicher Einstellungen zum Impfen zu bieten. Dies ermöglicht eine interdisziplinäre Diskussion um die Möglichkeiten und Grenzen der „Kunden“- orientierung in einem Vorsorgesystem, das durch eine große Bandbreite an Einstellungen gekennzeichnet ist. Damit lässt sich aufzeigen, dass geeignete Wege gefunden werden müssen, um sowohl Impfgegner als auch Impfversäumer als „Kunden“ anzusprechen.

 
Kontakt:  Petra Mussler (Apothekerin)
 


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